Meine Matte und ich

20 Jahre mit (m)einer Yogamatte oder auch: Die leidenschaftliche Beziehung zu meiner Matte im Laufe der Jahre

Der Beginn einer Lebensliebe

Ich gebe es zu: Als ich vor genau 20 Jahren in Südindien aufschlug, hatte ich keine Vision wie mein Leben im Jahr 2021 wohl aussehen könnte. 2001 an der Küste im Süden Indiens zu einer 3-wöchigen Ayurveda Kur in einem Eco-Resort eingebucht, war meine Erwartung geprägt von den bunten Reiseprospekten und Fotos Indiens. Leuchtende Farben von Blüten und Saris, lächelnde Menschen, der Duft von Kardamom und Zimt. Alles eingebettet in sanfte Ölmassagen und wohltuende Behandlungen.

Doch es kam dann doch auch noch anders. Die erste Massage war eher schmerzhaft, die Behandlungen verursachten Übelkeit und Kopfschmerzen, das Augenbad war gewöhnungsbedürftig und mein westlicher Lebensstil erforderte viele tiefgreifende Therapien. Statt meinen geliebten Joggingrunden empfahl mir der verständnisvolle Ayurveda Arzt daher „Yoga“. Ich hatte als aufgeklärte Europäerin davon gehört, es aber als „zu langweilig“ abgetan. Nun also hier doch Yoga. Na bitte, ich hatte ja eh nichts zu tun. 

So fand ich mich eines Morgens um 5 Uhr eher unmotiviert an einem kleinen Pavillon mit phantastischer Aussicht wieder, als ein knatterndes Moped um die Ecke fuhr. Mein Yogalehrer war angekommen. Ein lächelnder Mann, der sein Alter auf irgendwas um die 70 schätzte und im Ashram lebte. Matten? Nein, keine Matte. Dafür 90 Minuten Hatha Yoga „one on one“. Atmen, Asanas, Sonnengruß und die Nase auf kargem, rötlichem Boden. Was hätte ich für eine Matte gegeben…

Wenn du eine Matte begehrst

Und dann kam sie: die Matte. In der zweiten Woche brachte mir mein Meister eine Yogamatte mit. Sie war lila, schon etwas abgenutzt, aber ein Traum, nachdem ich bereits 6 Tage auf dem sandigen Boden neben und mit den Ameisen praktiziert hatte.

Ich habe sie anstandslos genommen, geliebt und sie so lange mit mir rumgetragen und darauf praktiziert, bis sie wirklich auseinanderfiel. 

Nach dieser, meiner ersten geliebten Matte, war es nicht so leicht, eine „Ersatzmatte“ zu bekommen, die gleichwertig war. Eh klar. Die nächste Matte hatte nicht mehr die Seele Indiens, nicht den „Beginn“ meiner Yogapraxis. Nicht die „erste Verliebtheit“. Sie war also unbescholten. Aber wenn schon, denn schon: Sie sollte dann einfach richtig toll aussehen. Ein HINGUCKER sozusagen. Mit hipper Tasche, farblich passendem Gurt.

Wenn deine Matte der Hingucker ist

In den ersten Jahren meiner Yogapraxis waren die Optik und die Leichtigkeit wichtig. Manche Matten sind 5-7 mm dick. Das war während der Schwangerschaft und mit Baby sehr bequem. Dann fing ich an, die Matte in jedes Zimmer mitzuschleppen. Da ist ein Gewicht von bis zu 2 kg ein Gegenargument, besonders auf Reisen. Und so führte eins zum anderen bis ich bemerkte, dass eine Matte nicht genug ist. Und so kam die Expansion…

Der Moment, wenn du dir eine Zweitmatte zulegst

Ja, das war ein Moment: Jetzt hatte ich 2! Was für ein Luxus.

Zwei unterschiedliche Modelle für unterschiedliche Bedürfnisse. Eine mit 7 mm für Zuhause. Eine auf Reisen mit 3 mm. Eine Zeit lang habe ich sogar noch eine zusätzliche gehabt, weil immer wieder Freundinnen kamen und mit mir Yoga praktizieren wollten und die Reisematte nicht den gleichen Komfort bot. 

Ach ja, die richtige Matte zu finden, ist fast so schwer, wie den richtigen Mann… So war die eine oder andere Matte auch mal ein Fehlkauf. Die „richtige“ Matte ist eben auch der Ort, an den ich mich zurückziehen kann: mein „ZUHAUSE“.

Deine Matte: Ein Ort, an dem alles und alle Emotionen möglich und erlaubt sind.

Auf meiner Matte habe ich nahezu alle Gefühle erlebt: Frust, weil es nicht so einfach ging, wie es bei meinen diversen Yoga-Lehrerinnen aussah. Frust, weil ich nicht kontinuierlich beweglicher wurde, nur weil mein Verstand das erwartet hätte. Keine Belohnung nach vielen Stunden des Übens, manchmal der totale Reinfall (besonders auf meiner „Pitta-Skala“). Trauer und Tränen, weil sich Traumata, Erlebnisse und Geschichten auflösten.  Das Gefühl sich auf meine Matte zu setzen, egal wo, auf all meinen Reisen und sofort zuhause zu fühlen. Verbunden mit allen Menschen und dem Yoga, aber und vor allem mit mir selbst. Erkenntnisse, helle Momente während der Yogapraxis sind ein Teil meines täglichen Lebens geworden, die ich nicht missen möchte.

Und das Verlangen nach einer neueren, noch schöneren Matte gehören der Vergangenheit an, oder doch nicht?

Wenn du glaubst alle anderen haben die bessere, schönere, bequemere Matte

Wenn du in die Falle tappst, die da heißt: Eco-Kautschuk- oder doch Korkmatte. Wenn du überflutet wirst von Werbung auf Social Media und glaubst, du hast doch noch nicht die „EINE wirklich beste, richtige Matte“.

Acchhhh jeeee… Vor 20 Jahren gab es gefühlte drei Matten und das war es. Sich da zu entscheiden, war einfach im Vergleich zu heute. Ich ertappe mich dabei zu flirten mit „der Neuen“, der schicken Matte. Entweder mit coolen Sprüchen oder Ornamenten, oder aber recycelt, damit ich vor meinen Kindern und mir selbst bestehen kann, bis du dann aber merkst:

Zurück zu deinen Yoga- und Matten-Wurzeln

Wenn du bemerkst, dass deine Matte eine wichtige, aber in der Yogapraxis untergeordnete Rolle spielt. Irgendwann in den letzten Jahren konnte ich keine Yogamatte in den Flieger mitnehmen. Das war ein Moment, in dem ich entscheiden musste: Kleidung oder Matte. In dem Urlaub praktizierte ich Yoga auf dem Badetuch, am Strand im Sand (übrigens nicht sooo toll, weil echt rutschig) und auf den nackten Fliesen. Alles kein Problem, die Augen zu, atmen und dann geht es los. Mit den vielen Jahren Routine und Liebe zum Yoga im Sekundenstart. 

Mattenfazit

Meine Matte(n) und ich. Eine lange Beziehung, eine Lebensliebe sozusagen. 20 Jahre Höhen und Tiefen, Glücksmomente und Tränen, Lachen und Weinen. Die Matte gab und gibt mir Platz für mein Sein, Fühlen und Wirken.

Sie ist ein „Rahmen“ von 60×180 cm für mein Innerstes, meine Seele. Es ist schön zu wissen, dass es diesen Rahmen gibt, aber ich kann auch Yoga praktizieren ohne diesen Rahmen. Schlicht auf dem Boden, genau so wie vor 20 Jahren damals in Indien. Dann ist mein Rahmen sogar noch viel größer, nahezu grenzenlos.

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Ayurveda und Yoga an der Europäischen Akademie für Ayurveda studieren.

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