Im Gespräch mit Katja Seeger
Stress, Leistungsdruck und ständige Erreichbarkeit bringen viele Menschen aus der inneren Balance. Doch Ayurveda zeigt Wege, wie wir Körper und Geist wieder in Einklang bringen und unsere mentale Stärke – Sattva Bala – gezielt fördern können. Wir haben mit Heilpraktikerin Katja Seeger darüber gesprochen, was psychische Gesundheit im Ayurveda bedeutet und wie kleine Rituale im Alltag dabei helfen können, gelassener zu bleiben.
Katja Seeger ist Heilpraktikerin, zertifizierte Yogatherapeutin (C-IAYT) und Hakomitherapeutin in Weiterbildung (achtsamkeitszentrierte Körperpsychotherapie). Nach ihrem Masterstudium der Ayurveda-Medizin war sie mehrere Jahre als medizinische Assistenz im Rosenberg Ayurveda Gesundheits- und Kurzentrum tätig – vor allem bei Panchakarma-Kuren. In ihrer eigenen Praxis begleitet sie Menschen mit stressbedingten Beschwerden. Ab dem kommenden Jahr wird sie das Mental Coaching in den BalaMental-Kuren übernehmen.
Psychische Gesundheit rückt zunehmend in den Mittelpunkt. Was verstehst du unter mentaler Balance – und warum ist sie so wichtig für unser Wohlbefinden?
Psychische Gesundheit rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt, da wir durch unsere moderne Lebensweise vermehrt stressverursachenden Problemen ausgesetzt sind.
Mentale Balance bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, innerlich gefestigt zu sein, sodass wir in der Lage sind, mit Stress und unseren alltäglichen Herausforderungen besser umzugehen. Durch den Aufbau von mehr Resilienz und Widerstandskraft lernen wir, unsere eigenen Ressourcen für unser Wohlbefinden einzusetzen, aber auch Grenzen wahrzunehmen und Selbstakzeptanz zu üben.
Ayurveda betrachtet Körper und Geist als untrennbar verbunden. Wie erklärt die ayurvedische Psychologie, warum Stress oder Emotionen unseren Körper so stark beeinflussen können?
Physische aber auch psychische Merkmale jeder einzelnen Person sind im Ayurveda in den Konstitutionstypen oder den drei Bioenergien (Doshas) beschrieben: Vata, Pitta und Kapha. Jeder der drei Konstitutionstypen zeigt dabei unterschiedliche Stressmuster oder -Reaktionen, die sich mental aber auch körperlich zeigen können. So kann sich Stress z.B. bei einer Vata-Persönlichkeit körperlich in Verstopfung, Migräne oder Kopfschmerzen bemerkbar machen und sich mental in Unruhe, Nervosität oder einem Gefühl der Überforderung zeigen. Die eigene Veranlagung zu kennen, kann äußerst hilfreich sein, um gemäß den individuellen Kräften und Begabungen zu leben, aber auch die eigenen Grenzen anzuerkennen.
Unsere mentale Konstitution wird zudem aus dem Zusammenwirken der Gunas beschrieben (Rajas, Tamas und Sattva). Hinsichtlich der Stressreaktion, die meist durch zu viel Rajas, der aktivierenden Kraft, hervorgerufen wird, liegt im Ayurveda ein besonderes Augenmerk auf der Stärkung von Sattva, also der inneren Zufriedenheit und Freude.
Der Begriff „Sattva Bala“ steht für mentale Stärke und innere Ausgeglichenheit. Wie kann man diese Qualität im Alltag stärken oder wieder aufbauen?
Der Ayurveda stellt wunderbare und praktische Konzepte für „Sattva Bala“ bereit. Durch einen ausgleichenden, regelmäßigen Lebensstil, also eine gesunde Balance von Arbeit, Entspannung, Bewegung und Regeneration, konstitutionsgemäßer Ernährung, sowie Konzepten zur gesunden Lebensführung im Einklang mit unseren Bioenergien und der Jahreszeiten, können wir mentale Ausgeglichenheit stärken.
Du arbeitest mit Methoden aus der Psychologie und dem Ayurveda. Welche Ansätze oder Übungen helfen Menschen besonders, besser mit Stress umzugehen?
Die achtsamkeitszentrierte Körperpsychotherapie (Hakomi) basiert auf der Erkundung von Körpererfahrungen im gegenwärtigen Moment. Im Zustand innerer Aufmerksamkeit lassen sich Körperempfindungen, Gefühle und unbewusste Muster besser wahrnehmen: So können hinderliche Überzeugungen sichtbar werden und neue, förderliche Erfahrungen entstehen. Auch Methoden aus der Yogatherapie, wie z.B. Bewegung, Atem- oder Entspannungstechniken und die bereits genannten Ansätze aus dem Ayurveda sind alle sehr hilfreich, um ganzheitliche Unterstützung bei stressbedingten Beschwerden zu leisten.
Viele Menschen fühlen sich heute erschöpft, obwohl sie äußerlich „funktionieren“. Woran erkennt man, dass die innere Balance verloren gegangen ist – und wann ist es Zeit, sich Unterstützung zu holen?
Wenn man das Gefühl hat, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können, sollte man sich Unterstützung holen: länger anhaltende Beschwerden wie Schlafprobleme, Müdigkeit und Erschöpfung, Gefühle des Überfordert-Seins, aber auch Ängste und Unsicherheiten, die uns im täglichen Leben einschränken, können Indikatoren sein, dass unsere innere Balance aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Welche kleinen Rituale oder Gewohnheiten empfiehlst du, um die eigene psychische Gesundheit langfristig zu stärken?
Rituale können einen wichtigen Beitrag für die psychische Gesundheit leisten. Ich finde es dabei aber auch wichtig, immer wieder für sich zu überprüfen, ob die Rituale noch hilfreich sind, oder ob sie neuen Stress auslösen.
Es kann wunderbar sein, den Tag mit der ayurvedischen Morgenroutine sowie Achtsamkeit, Yoga- und Atemübungen zu beginnen oder aber auch mit einer Tasse Tee den Sonnenaufgang zu beobachten. Für einen erholsamen Schlaf kann ein Abendritual hilfreich sein, z.B. eine kleine Fußmassage oder ein warmes Bad vor dem Schlafengehen. Hier sollte jeder seine persönlichen Vorlieben herausfinden, denn auch hier spielt die eigene Konstitution eine wesentliche Rolle.





